Mein Sohn beschäftigt sich in der Schule gerade mit Fabeln und erzählte mir kürzlich Folgendes: eine Schlange hatte das Bedürfnis, sich zu sonnen und da sie gerade ein Feld sah, in dessen Mitte ein Stein war, kroch sie auf den Stein. Als sie gerade faul dalag, erblickte ein Adler sie. Der Adler stiess hinab und frass sie. Moral von der Geschichte: Was dir heute nutzt, kann dir morgen schaden.
Wie passend, dachte ich, ohne hier den Moralapostel spielen zu wollen. Im Hinblick auf die Veränderungen in der Versicherungswelt, kann man diese Fabel ganz gut als Vergleich hinzuziehen. Sie konnten es letzte Woche in der Presse lesen. Der Gigant Amazon steigt in Europa wohl bald ins Versicherungsgeschäft ein. Die hiesigen Versicherungsgesellschaften sind sich dessen sehr bewusst und investieren Millionen Franken in die Digitalisierung. Doch meiner Meinung braucht es mehr. Denn mit der Umstellung auf digitale Angebote und Prozesse, die einen sogenannt «hybriden costumer journey» abbilden, braucht es neue Vertriebsstrukturen und zwingend ein neues Selbstverständnis in der Beratung. Was ich damit meine? Ich habe selber als Verkäuferin/Beraterin im Aussendienst gearbeitet. Dies ist zwar ein paar Jahre her und ich war für Unternehmenskunden zuständig. Doch ich lernte schnell, dass es zwingend ist, eine intensive Kundenbeziehung herzustellen. Hatte der Kunde ein Problem, dann musste ihm als erstes mein Name in den Sinn kommen. Er sollte stets mich kontaktieren, damit ich ihm das Problem lösen konnte. Wie gesagt, das ist ein paar Jahre her und funktionierte im B2C-Umfeld gleich. Doch die Welt ist inzwischen viel komplexer geworden. Während das B2B-Geschäft zwar nach wie vor ähnlich funktioniert, hat sich das B2C-Geschäft, insbesondere auch bei Versicherungen, stark verändert. Würde ich mich im B2C-Geschäft nach wie vor als alleinige Ansprechperson verstehen, dann würde ich keinen Schlaf mehr finden. Ich müsste 24 Stunden x 7 Tage für meine Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen. Das neue Selbstverständnis, welches ich persönlich als notwendig erachte, bedingt, dass ich mich als Teil das Ganzen verstehe bzw. als Teil des gesamten «hybriden customer journey». Das heisst, ich bin mir bewusst, dass ich nicht alle Probleme meiner Kundinnen und Kunden selber lösen kann (und muss). Ich schätze es, dass meine Kunden die Möglichkeit haben, auf x verschiedene Arten mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten, während ich nicht auf jedem Kanal gleich stark präsent sein muss. Ich muss auch nicht über jedes Thema Bescheid wissen und ich verstehe, dass meine Kundinnen und Kunden Probleme in erster Linie schnell gelöst haben wollen und ich dazu nicht die alleinige Anlaufstelle sein muss. Die Freiheiten, die ich dadurch erlange, sind bemerkenswert gross. Ich konzentriere mich auf meine Kernkompetenzen und nutze die Möglichkeiten des Kontakts, um die Beziehung zum Unternehmen zu stärken. Mit unserem neuen Geschäftsbereich durfte ich diesbezüglich tolle Erfahrungen machen. Ich bin überzeugt, dass, wenn Amazon im deutschen Versicherungsmarkt wirklich ernst macht, es ziemlich egal ist, wie stark meine ganz persönlichen Kundenbeziehungen (die Schlange, die in der Sonne sonnt) waren. Wettbewerbsfähig werden nur die Unternehmen sein, die es geschafft haben, auf allen Ebenen über gefestigte Kundenbeziehungen zu verfügen.
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Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie an Versicherungsberatung denken? Darf ich raten? Sie stellen sich einen Mann in einem Anzug vor, der Ihnen etwas verkaufen möchte, von dem Sie glauben, dass Sie es nicht brauchen. Mal abgesehen davon, dass Versicherungen absolut nützliche Angebote sind, die Ihnen das Leben erleichtern, ist es doch schade, dass wir stets den Begriff «Beratung» mit einem Mann assoziieren. Wir haben, geprägt durch Erfahrungen und die Sprache, fixe Vorstellungen in unseren Köpfen. In unserem Geschäftsbereich haben wir es übrigens geschafft, die weibliche Belegschaft im Vertrieb auf einen Drittel zu erhöhen. Darauf bin ich wirklich stolz, denn das ist viel höher als der Branchendurchschnitt. Und glauben Sie mir, diese Frauen machen einen tollen Job!
Oder stellen Sie sich vor, dass Sie im Auto unterwegs sind und es schneidet Ihnen ein anderes Auto den Weg ab. Ihr erster Gedanke? Ich unterstelle es Ihnen jetzt einfach – Sie denken «Das ist sicher eine Frau gewesen!». Das Klischee hält sich hartnäckig, dass Frauen schlechter Autofahren als Männer. Das ist so tief verankert in uns, dass wir gleich ein fixes Bild im Kopf haben. Doch eine Studie aus dem Jahr 2017 des bfu (Bundesamt für Unfallverhütung) bestätigt, dass Frauen besser Autofahren können. Nehmen wir ein anderes Beispiel. Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Begriff «Chef» hören? Das assoziieren die meisten mit jemandem, der Entscheidungen trifft, der Vorgaben liefert, der kontrolliert, dem das Kästli im Organigramm gehört, der sagt, wie und wo es lang geht. Eine solche Erwartungshaltung ist im agilen Umfeld leider nicht sehr förderlich. Mich treibt deshalb die Frage an, wie kann ich mich von solchen fixen Vorstellungen lösen? Und natürlich auch, wie löse ich fixe Werte und Bilder bei Mitarbeitenden. Veränderung beginnt bekanntlich immer bei sich selbst. Deshalb habe ich mir überlegt, wie es wäre, wenn ich einfach mal alle Texte konsequent in weiblicher Form schreiben würde. Das ergibt ganz neue Bilder im Kopf! Oder wie wäre es, wenn ich, statt ständig im gleichen Büro zu sitzen, einfach mal den Arbeitsplatz auf eine Agentur verlege? Oder wie wäre es, wenn ich Sitzungen nicht damit beginne, die Agenda zu präsentieren, sondern mal um eine Minute Stille bitte, damit jeder gedanklich ankommen kann? Oder wie wäre es, wenn ich eine Challenge für die Mitarbeitenden mache, wer den besten Handstand kann, damit die Welt im wahrsten Sinne des Wortes Kopf steht? Klingt verrückt? Vielleicht. Doch sollte ich mich und mein Team regelmässig aus der Komfortzone pushen, wenn ich etwas vorantreiben und innovativ entwickeln möchte. Sonst verharren wir zu sehr in dem, was wir kennen und schränken uns selber im Denken ein. Das Rezept für einen guten Krimi ist üblicherweise das Vorhandensein von mindestens einer Leiche und in der Regel braucht es entsprechend eine oder mehrere Personen, die den Mord verübt haben. Dazu noch eine Handvoll Polizistinnen und Polizisten - und der Fall ist gelöst.
Das erinnert mich etwas an das Verhalten bei provisionsgesteuerten Tätigkeiten. Es braucht notwendigerweise kurzfristige Zielsetzungen (die Leiche), Personen, welche die Ziele erreichen müssen, zum Beispiel das Verkaufspersonal (die Mörder), und Führungspersönlichkeiten, die das Einhaltung der Ziele tracken (die Polizei). Im Austausch mit Kolleginnen aus einer anderen Firma hatte ich eine spannende Diskussion. Wir fragten uns, ob ein provisionsgesteuertes Setting noch in eine agile Welt passt. In eine Welt, in der nichts mehr klar absehbar ist. Die keiner vorgegebenen Struktur folgt, sondern eigene Strukturen schafft. Das neue und komplexere Umfeld erfordert es, sich laufend die Sinnfrage zu stellen «tun wir hier effektiv das Richtige?» und «was könnten wir noch besser machen?». Was macht jedoch der Mensch, der provisionsgesteuert seiner Tätigkeit nachgeht? Dessen Einkommen konkret von der Erreichung von Zielen abhängt? Hat sie oder er Interesse daran, sich die Sinnfrage überhaupt zu stellen? Sich zu überlegen, wie man sich als Unternehmen weiterentwickeln könnte, damit alle profitieren? Stellt man die Kundin oder den Kunden wirklich in den Mittelpunkt? Ich glaube nicht daran. Ein provisionsgesteuertes Modell fördert Opportunismus und setzt die Kundin oder den Kunden nicht immer in den Mittelpunkt. Es wird kurzfristig gehandelt und nicht langfristig gedacht, weil dies keinen Einfluss auf die individuelle Provisionsauszahlung hat. Ich bin der Überzeugung, dass ein Umfeld mit einem agilen Mindset ganz neue Entschädigungsmodelle erfordert. Modelle, in denen Teams für die Umsetzung konkreter Vorhaben entschädigt werden, in denen sich Engagement in der Kundenbetreuung bezahlt macht und in denen das Gesamtziel des Unternehmens stärker gewichtet sein muss, als das individuelle Ziel eines Einzelnen. Ich bin der Überzeugung, dass es diese neuen Modelle auch brauchen wird, weil ein agiles Umfeld immer komplexer und das Zusammenfügen von spezifischem Know-how und eine Kundenbetreuung über mehrere Kanäle zwingend sein wird. Weil selbstorganisierte Teams in einem agilen Umfeld keiner traditionellen Struktur folgen und somit der Mörder am Ende eben nicht immer der Gärtner ist. |
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Dezember 2021
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